Entwicklung des Ruderbetriebs

Schaut man sich heute im Bootshaus um, sieht man die unterschiedlichsten Boote. Dass nicht alle gleichermaßen benutzt werden, ist selbstredend. Einige aber sind Zeugen einer besonderen Zeit der jüngeren Vergangenheit des RCGB. Neben den in den letzten Jahren überwiegend benutzten Gig-Vierern, mit denen viele der Wanderfahrten unternommen wurden, finden sich hier aber auch einige Rennboote: angefangen vom Skiff bis zum gesteuerten Rennvierer. Diese stammen aus der Ära des Ruderclubs, in der eine aktive Rennabteilung den Verein auf regionalen und nationalen Wettkämpfen oft sehr erfolgreich vertreten hat. 

Betrachtet man diese Geschichte des Rennsports im Ruderclub, muss man dies sicherlich in zwei Abschnitten tun. Bereits zu Beginn der Vereinsgeschichte ist von Regatten die Rede. Schon 1926, also vier Jahre nach der Gründung des Vereins, richtete der RCGB die erste Rheinregatta aus. Im Wesentlichen fand diese zwischen

den vier benachbarten Rheinvereinen Bacharach, Oberwesel, St. Goar und Boppard statt. Sie zeigt die Lust am sportlichen Wettkampf und den Mut, sich mit anderen zu messen. Sicherlich ist das kein Alleinstellungsmerkmal der Bopparder Ruderer, sind doch einige der anderen Vereine nur unwesentlich älter. Das Jahr 1926 bildet einen Grundstein für den ersten Abschnitt der Rennruderer im RCGB. 

Alte Ansicht des Clubgeländes. Die Aufnahme stammt vermutlich aus der Zeit vor den 1950er Jahren

Sind wir für die Ereignisse und Erfolge der sportlichen Vereinsgeschichte hauptsächlich auf die Überlieferungen aus der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen angewiesen, können wir für die zweite Hälfte der Vereinshistorie auf Zeitzeugen und Erzählungen aus erster Hand zurückgreifen. Deswegen haben wir auch mehr Informationen zum breitensportlichen Rudern und dem allgemeinen Ruderbetrieb, als wir das für die Gründungsjahre haben. Sicherlich ist ein Teil dieser Zeit auch schon in der besagten letzten Festschrift zu lesen. Dort war jedoch der Fokus ein anderer, weswegen an dieser Stelle manche Informationen erneut dargelegt werden, ohne den Schwerpunkt allzusehr auf Erfolge im Rennrudern zu legen. 

Betrachtet man die sportlichen Aktivitäten des Vereins in der zweiten Hälfte seines Bestehens, muss man unweigerlich die breitensportliche und die leistungssportliche Sparte als Gemeinschaft betrachten, nicht zuletzt, weil aus der breitensportlichen Anfängerausbildung Leistungssportler erwachsen sind. Im Fall unseres Ruderclubs kommt aber auch hinzu, dass die Übungsleiter beider Sparten freundschaftlich miteinander verbunden waren und so gut zusammengearbeitet haben, dass sie das Rudern im RCGB und die Gemeinschaftlichkeit unter den Mitgliedern für Jahrzehnte geprägt haben. 

Viele der Mitglieder, die schon lange im Club aktiv sind, haben seinerzeit bei Bruno Gärtner das Rudern gelernt. Er zeichnete sich durch seine umsichtige Art aus, die er Ruderinnen und Ruderern im Boot vermittelte. Als Beispiel hierfür wird in Erzählungen immer wieder aufgeführt, wie man als Steuermann die ankommenden Wellen der vorbeifahrenden Frachter im Auge behält oder vorhersagt. Denn je nach Wasserstand bauen diese sich anders oder viel später erst auf, wenn der Frachter längst vorbeigefahren ist. Jeder von uns hat sicher schon mal eine Welle ins Boot bekommen, von der sich alle im Boot gefragt haben, wo sie denn jetzt herkam. 

Bruno Gärtner war es auch, der 1971 einen damals 14-jährigen Knaben mit dem Namen Willi Rüdel im Boot sitzen hatte. Dieser wollte unbedingt das Rudern lernen und war vom ersten Moment an so fasziniert von diesem Sport, dass er sechs Jahre später mit der offiziellen Übungsleiterlizenz begann, Leistungsrudern strukturiert in Boppard aufzubauen. Gekrönt wurde sein unermüdliches Engagement, vor allem aber auch die zahlreichen Leistungen der Ruderinnen und Ruderer durch diverse Teilnahmen an nationalen Ruderwettkämpfen. Zu Spitzenzeiten konnte der Verein mit zwei Doppelvierern in der deutschen Spitze mitfahren und einen Frauenachter stellen. Ab 1987 hörte die aktive Beteiligung des RCGB an Regatten auf und das breitensportliche Rudern, so wie wir es heute erleben, trat in den Vordergrund. Die Liste der Wanderfahrten ab Seite 80 zeugt von der Vielfalt, die diese Sparte des Rudersports zu bieten hat. 

Das Jahr 1971 bildet insofern auch eine Zäsur in der rudersportlichen Geschichte des Vereins, weil hier der erste Renn-Einer

des RCGB gekauft und auf den Namen Franz getauft wurde. Damit war dieses Boot das erste Skullboot in unserem Bootshaus. Das Riemenrudern hatte, wie in allen anderen Rudervereinen auch, eine jahrzehntealte Tradition, doch die Einführung einer neuen Bootsklasse war den mündlichen Überlieferungen nach auch im RCGB nicht ganz unumstritten. Heute ist das Riemenrudern eher die Ausnahme. Umso erstaunter wurde auch über die Grenzen des Bopparder Ruderclubs hinaus zur Kenntnis genommen, dass nach mehrjähriger Restaurierungszeit unser Doppelzweier Germania nun als gesteuerter Riemenzweier geriggert ist und fortan unter anderem in der Ruderausbildung zum Einsatz kommen soll. 

Ein weiterer Pfeiler der sportlichen Aktivitäten des RCGB, der selten wirklich Beachtung findet, ist das Schulrudern. Bereits seit Beginn der 1980er Jahre, also seit nunmehr über 40 Jahren, unterhält der RCGB Kooperationen mit Bopparder Schulen. Vermutlich sind es mehr als tausend Schüler, die zwischen Pritsche und Kamper Fähre das Rudern gelernt haben. Nun mag auf den ersten Blick die Frage erlaubt sein, warum diese Schüler dann nicht alle Mitglieder geworden sind. Sicherlich ist das in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass junge Menschen dieses Alters ihre Ausbildung oder ihr Studium nach der Schule im Kopf haben und sich erst einmal nicht an einen Verein binden wollen. Der Grundstein aber ist gelegt. Und Vereine wie der RCGB profitieren vielleicht nicht unmittelbar von den Schülern aus Boppard, aber sicherlich von gleicher Arbeit in anderen Vereinen. Dies zeigt die Vereinsgeschichte, in der immer aktive Mitglieder hinzukamen, die das Rudern über Schulruder-Angebote anderer Vereine gelernt hatten. 

Wenn sich zur Rudersaison dienstags und donnerstags das Hallentor öffnet und der allgemeine Ruderbetrieb stattfindet, ahnen die wenigsten, welche Geschichte und welche Geschichten hinter den einzelnen Booten stecken. Viele von ihnen sind gar nicht überliefert und wahrscheinlich genauso viele bereits vergessen. Das ist auch nicht weiter schlimm, sind wir ja schließlich nicht in einem Museum, sondern in einem Ruderclub – und der lebt vom gemeinsamen Rudern. 

Spricht man von sportlichen Pfeilern eines Vereins, schwingt hier vor allem mit, wodurch ein Verein in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Im Inneren des Vereins liegt diesen Pfeilern eine soziale Komponente zugrunde, die nicht vergessen werden darf: die große Zahl der ehrenamtlich Engagierten. Ohne sie wären all die Erfolge des Leistungsruderns, die Vielfalt der Wanderfahrten und die unermüdliche Ausbildung im Schulrudern nicht möglich. Ohne sie würde ein Zusammenhalt im Verein nicht richtig funktionieren. 100 Jahre Ruderclub Germania Boppard e.V. bedeuten eben auch 100 Jahre ehrenamtliches Engagement, um auf 100 Jahre erfolgreichen Ruderbetrieb zurückblicken zu können.

Alte Rhein-Kilometer

Regatteplan von 1936 auf der Hausstrecke des RCGB. Beachtenswert ist hier die Angabe der Rheinkilometer 67 und 68. Diese entsprachen in der damaligen Zeit der offiziellen Kilometrierung der Preußischen Rheinprovinz. Alle Anrainerstaaten des Rhein begannen die Zählung der Flusskilometer jeweils bei ihren Landesgrenzen. 

Die Zählung der Flusskilometer, so wie wir sie heute kennen, von Konstanz bis Hoek van Holland wurde erst am 1. April 1939 eingeführt. 

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